2014
Während der zweiten Wettbewerbsphase haben wir die shortlist-Teams gebeten vier Fragen zu Ihrem Zugang zu Themenfeldern des Superscape zu beantworten und einen ersten Einblick auf die Projekte zu gewähren.
Das Team hinter Zzz sind Jerome Becker, Florian Sammer, Lukas Vejnik.
1 | Was macht Städte lebenswert?
Die Frage „Was Städte lebenswert macht?“ zu beantworten, ist so schwierig, wie die Frage nach dem Sinn des Lebens: Unterschiedliche Lesarten der Stadt oder besser einer urbanen Lebensweise lassen verschiedenste Deutungen zu. Die Unterscheidung urbaner, suburbaner und ländlicher Lebensformen entzieht sich zunehmend einer räumlichen Zuordnung.
Als mit dem Rechtsgrundsatz „Stadtluft macht frei“ im Mittelalter Leibeigenen ein Fenster in die eigene Freiheit geboten wurde, etablierte sich die Stadt mit ihren Schutzmauern als klarer Gegenpol zu den umliegenden ländlichen Gebieten. Wer sich in der mittelalterlichen Stadt lang genug unbemerkt aufhalten konnte, wurde ein freier Bürger. Diese Erfahrung von Freiheit beschreibt immer noch ein verlockendes Potenzial für städtische Agglomerationen: sie sind ein Nährboden für Zufälligkeiten, Überraschungen, Heterogenität und bieten eine Balance zwischen Anonymität und gelebten Begegnungen.
"Das bedeutsamste Wesen der Großstadt liegt in dieser funktionellen Größe jenseits ihrer physischen Grenzen: und diese Wirksamkeit wirkt wieder zurück und gibt ihrem Leben Gewicht, Erheblichkeit, Verantwortung."(Georg Simmel, Die Großstädte und das Geistesleben, S.33)
2 | Welche Rolle nehmen Partizipation und Kollaboration in Ihrem Zugang zu Architektur ein?
Das Berufsbild von Architekturschaffenden muss sich verändern. Die Vorstellung des unbeeinflussten Gestaltens hat sich verflüchtig. Partizipation und Kollaboration treten als Credo in einem neuen Kleid auf. Genau hier wollen wir ansetzen. Seitdem es die Arbeitsteilung zwischen Bauen und Wohnen (siehe Heidegger) gibt, sind Beteiligung und Zusammenarbeit für Architekten von zentraler Bedeutung. Um den sich ständig ändernden Ansprüchen zu genügen, müssen jedoch neue Formen der Partizipation entwickelt werden. Scheinbar banale sich wiederholende Tätigkeiten des täglichen Lebens, wie das Schlafverhalten, können durch einen anderen zeitlichen Rhythmus oder die räumliche Dislokation Verschiebungen bewirken, die sich auf eine gesamte Stadt auswirken können.
Für eine Zusammenarbeit ist es nötig, den gegenseitigen Austausch zu suchen. Planung muss immer auch Vermittlung sein. In diesem Zusammenspiel dürfen wir nicht aufgeben, ein gemeinsames Wagnis einzugehen. Produktive Partizipation als kooperatives Instrument kann nur gelingen, wenn in gegenseitiger Wertschätzung und gegenseitigem Kompetenzverständnis verhandelt wird. Daher sollten wir planenden Architekten den Begriff des "sozialen Kondensators" wieder vergegenwärtigen, wenn es um Partizipation und Kollaboration geht. Aktiv werden und Experimente initiieren - gemeinsam, aber vor allem an sich selbst - so ließe sich nachweisen, dass man verantwortungsvoll mit den Interessen derer umgeht, die sich nicht zu unrecht oft als störendes Element im Planungsprozess empfinden.
„Die heutigen, zunehmenden Aufforderungen zu Partizipation können als neue Regierungstechnik aufgefasst werden, die über Entstaatlichung und drängen zu begrenzter Selbstverwaltung das Aufkünden gesamtgesellschaftlicher Verantwortlichkeit legitimiert.“ (Jesko Fezer/Mathias Heyden, Hier Entsteht, S.18)
3 | Wie kann Architektur dazu beitragen in urbanen Konflikten, wie etwa zwischen historischem Bestand und Transformationsprozessen, Gentrifizierung oder unterschiedlichen Raumnutzungsinteressen, zu moderieren?
In der Stadt zu planen ist immer ein gesellschaftspolitischer Akt und spiegelt die Haltung der Verantwortlichen wieder. Wir sehen keinen Konflikt zwischen historischem Bestand und Transformationsprozessen. Im Gegenteil: Einen bestimmten Zustand einzufrieren, führt nur zu einer Musealisierung und fragwürdigen Kulissenarchitektur. Auch wenn die Fassaden von Gründerzeitbauten manchmal unberührt erscheinen, werden auf den zweiten Blick die dahinterliegenden Veränderungen sichtbar: Nutzungen, Raumaufteilungen und technische Standards wurden adaptiert, Dachräume zusätzlich ausgebaut. Ein Gebäude ist die Summe der „Ablagerungen“ seiner Nutzungsgeschichte. Stadt baut sich stetig um. Werden historische Bestandsbauten einem Transformationsprozess unterzogen, ist die Art und Weise der vorgenommenen Maßnahmen und neuen Gestaltung immer Ausdruck einer gesellschaftlichen Position.
„Sie überlassen den Entscheidenden die Verantwortung für die Entscheidung. Die Aktivität zieht sich aus dem Alltäglichen in den erstarrten Raum, in die anfangs geduldete, später akzeptierte Vergegenständlichung.“ (Lefebvre, Die Revolution der Städte, S.238)
4 | Welche Paradigmenwechsel zeichnen sich aus Ihrer Perspektive im urbanen Gefüge ab?
Die Stadtflucht ist gebrochen. Der stetige Abzug in die Peripherien oder dünner besiedelten Regionen hat sich umgekehrt in einen Rückzug ins urbane Gefüge. Verbesserungen der Infrastruktur, zusätzlicher Wohnraum durch nachverdichtete Ausbauten haben den innerstädtische Bereich wieder attraktiv werden lassen: Zudem tragen zahlreiche Interventionen dazu bei, dass die Bewohner in der Stadt gehalten werden. Dabei handelt es sich auch um Aktivitäten, die ursprünglich nur mit ländlichen Regionen in Verbindungen gebracht wurden. Freizeitaktivitäten vom Land wurden importiert und in neue, stadtspezifische Programme übersetzt: Urban Farming ums Eck, Bienen züchten am Dach, Ausbau von Fußgängerzonen, fahrradgerechte Straßengestaltung, Grillzonen sowie verstärkter Außenraumbezug im Wohnbau. Städte folgen dem Ruf nach Freizeittauglichkeit und einer verbesserten Verbindung von Lebens- und Arbeitswelt. Die polyzentrische Stadt sollte vielfältige Angebote für eine polyphasische Schlafkultur stellen. Zusätzliche Schlafinfrastrukturen außerhalb der eigenen vier Wände würden völlig neue Spielarten des Wohnens oder Zusammenlebens im urbanen Gefüge ermöglichen. Wir sollten es nicht versäumen, unsere Schlafgewohnheiten neu zu denken.
Es ist an der Zeit für eine „schlafkulturelle Revolution“.