2014
Während der zweiten Wettbewerbsphase haben wir die shortlist-Teams gebeten vier Fragen zu Ihrem Zugang zu Themenfeldern des Superscape zu beantworten und einen ersten Einblick auf die Projekte zu gewähren.
Andreas Mayer macht den Anfang mit dem Projekt "Belvederetower Vienna".
1 | Was macht Städte lebenswert?
Die Stadt stellt eine Möglichkeitsplattform für potenzielle Handlungen dar, deren Grenzen innerhalb eines sich im Diskurs verschiebenden Regelwerks ständig neu verhandelt werden, und bietet idealerweise die Sicherheit des gemeinsamen (Über-) Lebens unterschiedlicher Interessensgruppen. Die Möglichkeiten eines erfüllten Lebens finden sich dabei im Besonderen in der Konzentration der Städte. Jene Städte denen es gelingt eine möglichst große Vielfalt für möglichst viele zu bieten, und damit seine Bewohner am aktiven Stadtleben in positiver Konnotation teilnehmen zu lassen und sogar einzubinden, somit eine "software" zu schaffen und zu nutzen, werden als lebenswert empfunden. Da sich durch die entsprechende Dichte auch eine komplexere Logistik der Ver- und Entsorgung, der Verfügbarkeit und Aneignung von Raum, Arbeit, Nahrung etc. ergibt, und dabei eine besondere Berücksichtigung von eingeschränkten Gruppen, Kindern, Alten, Armen stattfinden muss, sind neben den natürlichen geografischen Gegebenheiten vor allem die Raumplanung und Infrastruktur als "hardware" der Stadt von entscheidender Bedeutung.
2 | Welche Rolle nehmen Partizipation und Kollaboration in Ihrem Zugang zu Architektur ein?
Partizipation und Kollaboration als Einbeziehung von Personen und Organisationen bzw. Interessensgruppen und Fachgebieten beginnt bereits in der Projektentwicklung, welcher der klassischen Architekturaufgabe voranzustellen ist. In dieser Phase der Bedarfsplanung und Grundlagenermittlung zeigen sich Marketing, Größe, Art und Weise der Bauaufgabe, bisweilen ob diese überhaupt notwendig ist, oder ob es sogar bessere Alternativen durch Umdenken, Vernetzen, Kooperation o.ä. zum vordergründig einfachen Lösungsansatz eines "Bauobjekts" gibt. So können mehrere Wohnungen über Gemeinschaftsräume, verschiedene Stadtteile oder Gemeinden über gemeinsame Infrastruktur wie Hallen, Sportplätze etc. verfügen, oder mehrere Städte über dieselbe Infrastruktur. Im Pearl Delta in China wurden von vier verschiedenen Städten vier internationale Flughäfen innerhalb einer Fläche von 39 km² errichtet. Heute versucht man durch Kooperation die zuvor konkurrierenden Standorte zu stärken.
3 | Wie kann Architektur dazu beitragen in urbanen Konflikten, wie etwa zwischen historischem Bestand und Transformationsprozessen, Gentrifizierung oder unterschiedlichen Raumnutzungsinteressen, zu moderieren?
Architektur ist immer politisch, Politik zeigt sich in der Architektur. Architektur schafft den Rahmen und die Bühne für die potentiell stattfindenden Handlungen. Dies kann ausschließend oder einbindend geschehen. Architektur ist Dialog, kann offene, integrative Räume erzeugen, oder Menschen ausgrenzen, Vorhandenes optimal nutzen, neue Situationen und neue Möglichkeiten schaffen, durch ein erweitertes Raumprogramm Fehlendes im Stadtgefüge ergänzen, neue Synergien herstellen, volkswirtschaftlichen Nutzen generieren, muss offen sein für die Unvorhersehbarkeiten des Lebens, und kann Sicherheit in unwägbaren Zeiten vermitteln. Formal spielt Architektur zwischen Zurückhaltung vor dem Gemeinsamen und Vorhandenen (Rücksicht von Respekt - respicere) und einer Überhöhung der Situation, der Reflexion des Lebens und dem Staunen vor dem Unerwarteten, handelt dabei aber immer von Sehgewohnheiten und Schönheit. Die Akzeptanz wird zur Identifikation.
4 | Welche Paradigmenwechsel zeichnen sich aus Ihrer Perspektive im urbanen Gefüge ab?
Die größte Herausforderung der Stadt ist der Druck durch beständigen Zuzug, 2050 werden 70% der Menschheit in urbanen Räumen wohnen. Die ständige "smarte" und integrative Verbesserung der Infrastruktur zielt auf Akzeptanz der Veränderungen und nachhaltiges Wachstum. Die Versorgung der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum und die Frage der Flächenverteilung sind dabei Kernaufgaben. Die Privatisierung des öffentlichen Raums folgt der des Staates. Die wirtschaftlichen Verschiebungen zeigen sich deutlich im Stadtbild, die Schere von arm und reich verschiebt ganze Bevölkerungsteile. Jede Bewegung hat ihre Gegenbewegung. Dies zeigt die Hinwendung zu nicht kommerziellen Grünräumen und die Kollektivierung des öffentlichen Raums, deren "Planung" von unten, die individuelle Aneignung und persönliche Zurschaustellung, welche sowohl den physischen als auch den virtuellen Raum beeinflusst, vom "public viewing" privater Veranstalter zum "occupy irgendwas" bis zu Unterschriftpetitionen im Internet.